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06.01.2020:
Messingoldglänzende Tradition

Auf des Rechbergs Spitze thront ein Juwel. Die Wallfahrtskirche der "Schönen Maria", heute St. Maria Hohenrechberg. In langjähriger Tradition findet hier am Dreikönigstag ein besonderes Konzert statt. Sehr geschätzt und viel besucht. Wer 's richtig machen will, steigt die hundert Höhenmeter des Kreuzwegs zu Fuß auf.
Im klangvollen Frage-Antwort-Spiel zwischen Trompete, Flügelhorn und Orgel wanderte mein Blick über die reich gestalteten Wände und Decken. Engel musizieren über dem Haupt der Maria auf dem Altar. Mit Geige, Laute, einer mit Notenblatt und keck entblößtem Knie. Engel über Engel, die alle eines verbindet: Sie haben Gesichter, wie man sie auch heute noch auf den Straßen sehen kann.
Barock, barock, barock - aber nicht kitschig überladen, sondern voll schöner Details. Die Korbkanzel zum Beispiel, die konnte ich aus erster Reihe betrachten. Da gab es jede Menge wunderbarer Details, so dass die Augen mit Vergnügen den Tönen fürs Ohr besondere Farben gaben. Prospero Brenno, ein Stukkateur aus dem Tessin, hat die Kirche ausgestaltet. Die Kanzel aus dem 17. Jahrhundert wird seinem Vetter Francesco Brenno zugeordnet. Die Perlmuschel, Symbol der Maria, bildet den Korbboden. Vier Lilienbänder gliedern die Zwischenräume, in die üppige Fruchtgirlanden eingefügt sind. Eine versteckte Ovation an die Bourbonen? schießt mir durch den Kopf. Aber die Recherche zeigt, dass Lilien zu Maria gehören als Zeichen der Reinheit und Keuschheit.
Die vier Evangelisten sitzen auf dem Muschelrand. Lebensgroß mit markanten Gesichtern halten sie konzentriert lauschend Schreibtafel und Stift so wie ich Notizblock samt Kuli. Ob sie von den üppigen Fruchtgirlanden naschten? Faszinierend der Goldgebrauch. Es schimmert bräunlich-gold an vielen Stellen. An den Füßen der Evangelisten goldene Schuhe. Aus ihren Gewändern, den faltenreichen, spitzen Goldborten hervor. Gewänder, eine besondere Spezialität der Brennos. Sie konnten Falten falten und fallen lassen in unendlich vielen Raffungen. Aber so natürlich, dass man glaubt, es gehe um Stoff und nicht um Gips und Farbe.
Nicht zu vergessen die Engelsflügel. An den Seitenaltären zwei lebensgroße Engel, die die Rahmen des jeweiligen Altarbildes halten. Auch sie im Ausdruck und Aussehen von Menschen wie du und ich. Die Dynamik ihrer Mimik und Haltung zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Heilsgeschehen. Ein Flügel weist nach unten, während der erhobene Arm den zweiten nach oben zieht. Das bringt noch mehr Bewegung in die Haltung.
Ach ... ich war ja in einem Konzert. Offen gesagt störte die Musik gar nicht bei der wunderbaren Geschichte, die sich vor meinen Augen abspielte.