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13.07.2019:
Einhundertsieben Stufen

"Schreiben auf schwankendem Grund" - eine Verlockung, der ich nicht widerstehen mochte. Eine inspirative Gruppe fand sich im Palazzo Erizzo ein. Manuskriptseiten über Manuskriptseiten im Laptop, Geschichten, die darauf warten, verlegt und gelesen zu werden.
Meine Bruchstücke eines Manuskripts hatten lange Monate, ja Jahre in der Schublade geschmachtet. Eine Geschichte, die mich nicht los ließ, die ich aber nicht packen konnte.
Die guten Ratschläge meiner Mitdenkerinnen passten nicht zu der Hauptfigur. Nein, Johannes war kein brutaler, kaltherziger, fieser Mörder. Auch Jesus ähnelte er nicht. Seine Tat war gewalttätig und blutig. Doch Johannes litt unter dem, was er getan hatte unter dem Druck, den sein Vater ausübte.
Ein Dilemma, eine Schreibblockade - aber ich gab nicht auf. Ich lockerte mein Hirn mit dem Verfassen von Tagesnotizen über Venedig. Das Arbeitszimmer, erreichbar über einhundertsieben Stufen. Den Schreibgarten im Palazzo Erizzo, dessen Steinornamente den Ästen des Baumes den Schwung vorgeben ...

Die Treppe. Marmor ganz, Marmor geflickt. In leichtem Bogen die Wendeltreppe nach oben. Flott der Schritt bis Stufe 43. Dann langsamer, auf Stufe 84 Pause, durchatmen. Dann noch der Rest. Tief durchatmen bei Stufe 107 auf dem Podest.
Ein Blick aus dem Fenster. Rosarostrote Ziegeldächer. Campaniles in der Ferne, kugelförmige Kirchendächer. Dazwischen ein Baum. Ein Herz. In seiner Mitte eine Gestalt, die sich gen Himmel reckt.
Illusion. Nur Äste und Blätter.
Inspiration für das Schreiben.