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08.10.2018:
Wider das Vergessen

Genau einen Monat ist es her, dass wir an diesem Tisch frühstückten. In prominenter Gesellschaft, vor einem Event, das den Namen wirklich verdiente. Am Fuß der Pyrenäen in einem verwunschenen Garten, in dem Örtchen Castelnau Magnoac mit 800 Einwohnern, dazu Ärztezentrum mit sechs Doktoren, zwei Veterinären, mehreren Boulangerien und einer Kirche, in der ein großes Werk ausgestellt wurde. Eine Tapisserie aus feinen Fäden, 42 qm groß, geschaffen von der Künstlerin Gudrun Müsse Florin.

Sie ist vor zwölf Jahren aus dem Gmünder Raum weggezogen, um sich in Castelnau Magnoac niederzulassen. Le Maire ist ein Fan geworden, die Nachbarn dichten Hymnen auf die Fremden, die zu guten Freunden geworden sind. Denn Castelnau Magnoac, Haute-Pyréneés, ist im Niedergang begriffen. Viele Häuser stehen leer und verfallen. Das war auch das Schicksal von Gudruns Haus. Zweihundert Jahre alt, 30 Jahre leer gestanden, ein Haus, das man nicht mehr so nennen konnte. Mit Freunden und Handwerkern in mühsamer Arbeit zu einem Zuhause geworden. Der ehemalige Mulistall ist heute Atelier - zum Malen. Die Webwerkstatt liegt auf Ebene fünf und ist zweistöckig. Unten die Flachwebrahmen, oben der Hochwebstuhl. Ein düsteres Ambiente oben - bis vor einigen Monaten. Dann stürzte das baufällige Haus dicht vor der Werkstatt ein. Nun hat Gudrun Tageslicht.

"Hommage an die Opfer des Widerstands gegen das Naziregime", so der Titel der Tapisserie. Kein Gegensatz zum Inneren der Kirche im romanisch-gotischen Stil, in der es in Castelau Magnoac ausgestellt wurde. Die Tapisserie fügte sich ein, als ob sie schon immer dazu gehörte. Der große Festakt mit dem Bischof von Lourdes füllte die Kirche mit Bewohnern und vielen aus der Umgebung. Eveque Nicolas Brouwet gestaltete seine Predigt als Rede mit vielen philosophischen Ansätzen und dem Appell: Nie vergessen, nie wieder zulassen. Die Besucher, tief beeindruckt vom sieben Meter hohen, sechs Meter breiten Kunstwerk, vertieften sich in Gespräche mit der Künstlerin, deren Motto lautet "was ich vorfinde, beschäftigt mich". Bewundernswert der Scharfblick auf Tages- und Weltpolitik, der monumentale gemalte Werke mit knallharter Aussage schafft.

Von der 83jährigen Gudrun Müsse Florin, die von sich sagt, dass, hätte sie während des Schreckensregimes gelebt, sie sofort eliminiert worden wäre.

Heute ist die Tapisserie in der Johanniskirche in Schwäbisch Gmünd zu sehen. Bis Mitte November. Auch hier beeindruckend, wie sie sich in die Atmosphäre des romanischen Baus einfügt als wichtiges Mahnmal wider das Vergessen in einer Zeit, in der das Vergessen wieder in Mode kommt. Ich hatte die Ehre, diese außergewöhnliche Künstlerin in ihrem Haus zu besuchen und über sie zu berichten. Unvergesslich.