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20.09.2013:
Einblick in die verborgene Seele der Weiblichkeit

Besuch im einzigen Miedermuseum Deutschlands - bei mir um die Ecke, sozusagen, untergebracht in einem Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert, Heubacher Schloss genannt. Eine Zeitreise durch Metallkorsett, Wespentaille, selbstgehäkelten BH und Anleitung zur Verwertung zerrissener langer Männerunterhosen. Letzteres in "Poesie und Prose". Nicht allein ein Zeichen schwäbischer Sparsamkeit, sondern aus der Not der Zeit geboren. Denn man schrieb das Kriegsjahr 1942/43. Aus der kaputten langen Männerunterhose ließ sich immerhin ein Büstenhalter schneidern, der sogar die Knöpfrichtung für Damen durch Umkehren des Männerhosenbundes berücksichtigte. Ein bisschen Luxus sollte aber doch sein. Ein Fetzen Spitze als Hübschmacher, Seidenstreifchen als Träger und Perlmuttknöpfchen. Aus den anderen Teilen wurden drei- bis vierlagige Damenbinden genäht und Putzlappen, also jeder verwendbare Rest mit neuen Aufgaben versehen. Nur die Löcher weggeworfen. Ein echtes Zeitzeugnis, und die Kleidermarken reichten dann für den Wintermantel.
Das Miedermuseum widmet sich dem immer wieder wandelnden Ideal der weiblichen Figur. Allmählich wandte sich nach dem Garconne-Stil mit abgeflachten Busen 1935 der Sinn wieder zur weiblichen Rundung. Dafür brauchte es Füller. Auch heute gibt es sie noch, aber in welch profaner Form! Nix mit Rüschen und Glitzerstoff. Der Slogan zu diesen rosa Träumen lautete: "Wer von Natur aus zu wenig hat, hilft nach". Schlicht, einfach und ohne Schnörkel.

Was tut man sich nicht alles für die Schönheit an! Arme Isabella von Spanien. Dieses Modell aus Metall hat die Frau tagtäglich getragen. Jetzt wissen wir, warum sie stets königlich aufrecht sitzt und steht auf Bildern. Niemals neigte sie huldvoll das Haupt. Wäre das ohne Rippenbrüche möglich gewesen? Ich denke, es half wenig, dass dieses metallne Gerüst mit Samt bezogen war. Und das Gewicht des Monstrums! Man hatte es schon verringert durch diese Form. Wäre es aus massivem Metall gewesen … Für Kulturhistorikerin Kerstin Hopfensitz, die die Konzeption dieser Dauerausstellung entwickelt hat, stellt sich die Frage, ob dieser Nachbau überhaupt korrekt ist. Isabella hatte ein Rückenleiden, deshalb trug sie es. Aber war es nötig, auch die Brüste einzukerkern? Na ja, vielleicht trieben den "Kopisten" von Isabellas Gefängnis Ideen wie Gaultier, der ähnliches für Madonna entwickelte.

Alles schon mal da gewesen! Aber warum ändert sich nichts? Die Schönheitsideale scheinen sich noch immer auf gleiche Weise zu entwickeln. Ganz gleich, ob es die zwei-Mannerhände-umfassende schmale Taille ist, die schon in frühester Kindheit per Schnürkorsett vorbereitet wurde. Wenn Fischbein und Stahlfedern von neuen elastischen Materialien abgelöst werden, gilt es doch nur dem Ziel, die perfekte Figur zu erreichen. "Das hat mir eine Frau zugeschickt! Ein Modell aus Kriegszeiten", erläutert die Kulturwissenschaftlerin. War sie die Vorbereiterin für die heutige Busenform? War es nach dem Krieg die spiralige Spitztüte aus rosa Satin, die die Frauen trugen, ist diese aus der Not gehäkelte Form vielleicht der Wegbereiter für die aktuelle Mode: Jeder Busen hat apfelförmig zu sein. Machen alle mit - denn wer näht/häkelt sich denn dieses Teil noch selbst?