23.05.2013:
Inselwelten II
"Ich beneide jeden, der auf dieser Insel wohnen darf!" Die Touristin lehnte sich mit leuchtenden Augen in ihren Sitz im Bus an die Südspitze von Sylt zurück. "Das tun wir auch!", konterte die blonde Frau neben ihr, "aber wir dürfen hier nicht wohnen!" Verständnislos schaute die Touristin sie an. "Es gibt keine bezahlbaren Mietwohnungen mehr. Wir müssen alle aufs Festland. Die Kindergärten auf der Insel schließen, die Schulen auch, im Winter ist hier kaum ein Mensch! Alle Touris sind wieder zu Hause."
Das ist Inselschicksal. Wenn abends gegen 20 Uhr der Zug nach Niebüll einfährt, knäueln sich die Menschen an der Bahnsteigkante. Jeder will diesen Zug noch erreichen, denn später abfahren bedeutet, noch später nach Hause zu kommen. Nach einem harten Arbeitstag müssen die meisten die 30-Minuten-Fahrt im Zug stehen oder gar zurück bleiben, weil der Zug nicht genügend Wagen angehängt hat.
Das ist die Szenerie, die sich morgens und abends in Niebüll und Klanxbüll, den beiden Stationen auf dem Festland abspielt. Sylt hat viele Ferienquartiere, in unterschiedlicher Preisklasse und Lage zu bieten. Aber Mietwohnungen sind teuer. Es rentiert sich viel mehr, mit teilweiser Belegung und Leerstand an Touristen zu vermieten als an Dauermieter.
Gruselig ist die Vorstellung, wie im Winter alle Lichter ausgehen auf der Insel, weil keine Feriengäste mehr da sind. Tagsüber sind Handwerkermannschaften unterwegs, um die Quartiere auf Vordermann zu bringen, aber nach Arbeitsende fahren auch sie wieder über Keitum, Morsum, und Klanxbüll über den Hindenburgdamm nach Niebüll aufs Festland. Die Insel scheint menschenleer, denn die reich gewordenen Insulaner haben den Flieger nach Gran Canaria genommen. Störtebekers, wo seid ihr, hier ist ein ungestörter Unterschlupf!