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24.11.2009:
ghostwriting
Mein Vater


... wenn ich Deinen Namen denke oder sage, steht gleich ein Bild vor mir: Dein zugewandtes Gesicht, Dein wacher Blick und dann - ja, dann passiert es - ich spüre Gischt, ich atme Salzluft und höre das Brausen von Wellen und Wind. Das gehört zusammen, denke ich dann, das kann man gar nicht trennen! Das ist Wolf - so lebendig, voll Erfahrung, mit Mut und Entscheidungsfreude - denn das haben Dich die Nordseewellen gelehrt: Spring auf Dein Brett! Ergreife den richtigen Augenblick! Triff die Entscheidung!
Wenn ich Dein Leben revue passieren lasse, sehe ich den roten Faden: Ergreife den Augenblick - triff die Entscheidung.
Das hat Dich das Leben gelehrt. Es hat Dir viele Stolpersteine, Riesenbrocken, schier unüberwindliche Hindernisse in den Weg gelegt. Du hattest aber stets ein Ziel vor Augen - und wenn ein Hindernis Dich am geraden Weg hinderte, dann hast Du einen anderen Pfad gesucht - doch stets das Ziel fest im Auge behalten.
Wie das Leben so spielt, hätte manch einer gedacht ... und sich Notwendigkeiten gebeugt. Du hast das nicht getan. Du hast ein Ziel gehabt und es weiter verfolgt. 1950: Du wolltest Physik studieren und keine Farm in Afrika bewirtschaften. Es war sicher nicht leicht, an diesem Ziel fest zu halten - obwohl Du wusstest, dass Du damit die Zukunftsträume Deiner Familie zunichte machtest. Aber Du bist Dir selbst treu geblieben. Du bist kein Farmer geworden, Du hast Physik studiert. Ein anderer als Du hätte Zweifel bekommen, ob dieses Ziel das richtige sei. Denn da gab es Hürden. In Göttingen ließ man Dich - obwohl Du zur Prüfung eingeladen worden warst - durchfallen. Ein harter Rückschlag, denn es waren nicht Deine Leistungen, sondern der fehlende allernächste Physiker-Verwandte.
Doch Du wärest nicht Du, wenn Dich das gehindert hätte, weiter zu machen. Würzburg war das nächste Ziel und - Du hast bestanden! Aber dann gleich der nächste Berg: Wie solltest Du das finanzieren? Ein Semester - und was dann? Klare Sicht auf das Ziel: Physiker werden und sein! Auf nach Hamburg, sagtest Du Dir, denn dort kann ich arbeiten und mein Studium finanzieren.
Auch Hamburg war kein Zuckerschlecken. Das Geld war knapp, Du hast in vielen Unterkünften gehaust. Für Dich kein Problem. Die Umzüge gestalteten sich einfach. Mit der S-Bahn und zwei Aktentaschen voll Physikbüchern - veraltete Ausgaben, denn die neuen konntest Du Dir überhaupt nicht leisten - ging es an den nächsten Ort.
Aber das Schicksal hatte mit Dir einiges vor. Das wissen wir heute. Jürgen, Dein jüngerer Bruder, hatte bei Mariana in der alten Kate ein Zimmer. Mariana, selbst Wissenschaftlerin und Witwe, führte ein strenges Regiment in ihrer ausgebombten Ruine, die notdürftig hergerichtet worden war. Sie hatte fünf erwachsene Kinder und sprach für den Kandidaten der Physik in der Examensvorbereitung - das warst Du, Wolf - ein entschiedenes Kontaktverbot aus. Deine Gedanken sollten vom wissenschaftlichen Stoff beherrscht sein und nicht von wallenden Hormonen.
Das war sicherlich nicht leicht für Dich. Denn da war Maike, die Tochter von Mariana. Aber was zusammen gehört, kann nicht getrennt werden! Der beste Beweis ist Deine Ehe mit Maike - trotz Mariana. Gut, wir gestehen zu, dass sich keine rasante Liebesgeschichte inszenierte! Wie man sich hätte denken können bei der häuslichen Nähe in der alten Kate. Nein, es war wiederum anders. Dein Sohn Frank hat es so formuliert: In vorbildlich langsamer Weise lernten sich Wolf und Maike kennen - und wir alle wissen um das Klepperboot auf der Elbe, das man noch heute in der Garage besichtigen kann, - und von den Busfahrten ...